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February 12, 2012

von Liebe, Fäden und Flügel

 
Meine Heldin, in zwei Tage ist wieder der 14. Februar. Ein herausragendes Datum, eine schöne Erinnerung, ein Art Traum. Der mich damals tragende Teppich, der uns tragende Teppich ist aber leider nicht mehr unter meinen Füssen. Er ist in meinem Herzen. Er ist irgendwo da draussen und wartet auf uns. So viel ist mir bewusst. Ein Teppich aus Gedanken, Gefühlen, Ideen, Kreativität, Humor, Freude, Liebe, Empathie, Vertrauen und Musik. Und so vielem mehr. Früher ging es uns immer wieder sehr schlecht, weil wir uns davor fürchteten, nicht in der Lage zu sein jemals auf dieser Welt einen solchen Teppich zu finden. Um so grösser war das Erstaunen, als wir ihn innerhalb von so kurzer Zeit und mit einer solch unglaublichen Klarheit unter unseren Körpern zu fühlen begannen. Ab diesem Zeitpunkt, sollte für uns beide alles anders sein. Und es wurde alles anders. Ohne zurück. Beide nahmen wir dieses Geschenk dankbar an.

Die Gedanken, die Ideen, aus denen Engelsflügel oder fliegende Teppiche gewoben sind haben mich lange Zeit beseelt. Leider mussten sie zu Beginn dafür herhalten, ein Trauma zu überwinden. Danach kam die grosse Leere. Und der unausweichliche Ruf des Schlafs, dem ich seit langer Zeit wehrlos ausgesetzt bin. Doch ich verzweifle nicht daran, denn ich kenn nun meine Fähigkeit, auf dem Teppich zu bestehen.


Viele Spindeln gehen mir durch den Kopf, wo sie aber Spindel und Faden bleiben, weil ich zur Zeit daraus keinen Stoff weben kann. So, wie sich zur Zeit in meinem Leben keine Geschichten entwickeln, genau so können sich die Gedanken meiner Spindeln nicht zur tragenden Fläche eines fliegenden Teppichs entwickeln. Also denke ich daran, wie ich eines Abends bei einem Spaziergang Bernard Luginbühl und Salvador Dalì treffe, die vor einen grossen Feuer stehen und heftig darüber diskutieren, ja fast streiten, ob das Brennen der "Büchse der Pandora" nun überhaupt von irgend einem Nutzen sei oder ob hier nur eine leere Hülle brenne, wobei deren Inhalt überhaupt nicht tangiert wurde. Sie streiten und sie schimpfen, sie lachen und sie schweigen. Dabei geniessen sie, immer wieder laut schlürfend, einen exquisiten Rotwein. Sie bewegen das Holz um dem Feuer neue Kraft zu geben. Doch dabei bleibt es auch schon. Wie in einem kurzen Traum begegne ich den Künstlern, und bevor ich ihnen auch nur einer Frage stellen konnte, sind sie auch schon wieder weg.

Während wir das Feuer ansahen, war auch der zwölfjährige Leonardo Da Vinci an uns vorbei gelauft. Im Licht der gerade untergegangenen Sonne starrte er ununterbrochen in die Luft. Da Vinci hielt Ausschau nach seinem Rotmilan, der in Kreise ganz langsam über uns zog, von Osten nach Westen, hinein in den orangen Himmel.

Ich denke daran, wie gefährlich die unüberlegte Verschreibung von Anti-Depressiva an Jugendliche sein kann, wo doch die Gefahr einer Verminderung der Anzahl der Rezeptoren besteht. Ich denke daran, wie die Psychiatrie die schwierige Aufgabe hat, junge Menschen wieder in ein Leben zu bringen das ihnen offensichtlich nicht ausreichend Leben gab. Ich denke daran, wie viele Jugendliche lehren müssen, sich mit einem Leben zufrieden zu geben, dass ihnen nicht das Gefühl zu leben gibt. Anstatt dass man die Zeit und Kraft investieren könnte, ihnen zu helfen ihr Leben so zu gestalten, dass es für sie genügend lebt. Wie viele junge Menschen müssen heute lernen, wie Kamele über lange lange Zeit keine Flüssigkeit zu sich zu nehmen, anstatt dass sie lernen dürften, aus dem Leben genügend Flüssigkeit für ihren alltäglichen Durst zu pressen?

Ich denke an Albert Hofmann und sein LSD, ich denke an Timothy Leary und die von uns Menschen verpassten Chancen, dank dieser chemischen Substanz etwas über uns selbst und das Wesen der Dinge zu lehren. Ich denke daran, wie oberflächlich der moderne Mensch doch ist, wie er duch Konsum und Sucht das Wesentliche aus den Augen und aus den Sinnen verloren hat. Ich denke daran, welche unglaublichen therapeutischen Möglichkeiten wir mit MDMA vergeuden, welch mächtiges Mittel hier doch völlig ignoriert wird.

Ich denke an Pablo Picasso und wie sehr er, wie auch die Surrealisten der ersten Stunde, von Sigmund Freud fasziniert waren. Wie sehr sie sich für all das interessierten, was nicht offensichtlich war, was unter der Oberfläche gesucht werden musste. Ich denke an Max Ernst und all die Wesen in seinen Bildern. Ich denke daran, wie schwer daneben Freud bei der Deutung dieser Bilder wahrscheinlich gelegen wäre. Ich denke daran und liebe sie noch viel mehr, die Surrealisten. Aber ja, natürlich bin auch ich, wie jeder Mensch auf dieser Erde, Libido-Gesteuert. Oder so.

Ich denke an Gottfried Duttweiler, und der eigentlich unglaublichen Weitsicht die er hatte. Ich denke daran, wie er heute aktueller denn je ist. Wie er damals daran scheiterte, ganz allein zu grosse Ideen verwirklichen zu wollen. Wie sehr ich mir wünschen würde, dass sein Werk fortgesetzt würde, von vielen Menschen in vielen kleinen Bereichen bis sich, langsam, aus der Summe der Einzelteile mehr als dessen pure Summe ergeben würde: Ein Ganzen, ein erster wichtiger Schritt auf einen noch nicht betreten Pfad zu unserer Zukunft als soziale und wirtschaftliche Wesen. Ich denke mit Traurigkeit daran, wie sehr sich die von ihm erschaffene Genossenschaft von seinem erwünschten Ziel entfernt hat. Ich denke mit freude daran, wie immer mehr Menschen immer klarer realisieren, wie die Zeit nun dafür reif ist, wieder an dieser Vision zu arbeiten.

Ich denke mit Traurigkeit daran, wie viele Menschen einfach nicht die Zeichen der Zeit akzeptieren wollen und sich mit aller Kraft gegen jegliche Änderung stemmen. So denke ich zum Beispiel an einen Hans Kaufmann, der am Ende einer ganzen Sendung im Club, am Ende einer Debatte mit Repräsentanten der Occupy Bewegung einfach behauptet, er habe noch immer absolut keinen Schimmer, was diese Menschen nun konkret fordern würden. Solange ein Hans Kaufmann sich auf die Position stellen kann, er verstehe gar nicht was die Menschen auf der ganzen Welt überhaupt zur Zeit bewege und was auch nur im Geringsten in deren Sinn gemacht werden könnte, solange wird es schwierig sein, einen Konsens zu finden. Wobei sich jeder einigermassen intelligente und ehrliche Mensch, sei er nun Bankier oder Bauarbeiter, informieren kann und sich ein Bild davon machen kann, was den Unmut so vieler Mitmenschen hervorruft. Je länger je mehr denke ich, dass man mit all den Hans Kaufmann dieser Welt keine Lösung erarbeiten kann. Je länger je mehr denke ich, dass die Hans Kaufmann dieser Welt nicht daran interessiert sind, nach neue Lösungen zu suchen. Je länger je mehr denke ich, dass man die Hans Kaufmann dieser Welt zuerst links liegen lassen muss, um sie dann vor vollendeten Tatsachen zu stellen. Je länger je mehr denke ich, dass all die Hans Kaufmann dieser Welt dann werden entscheiden können, ob sie nun mitmachen wollen oder nicht, ob sie zu denen gehören wollen die unsere Zukunft mitgestalten oder einfach nur nach den "guten alten Zeiten" jammern möchten, als die Menschen noch so einfach zu verarschen waren.



Ich denke, ja... Und ich werde mir in letzter Zeit darüber bewusst, wie ich mich nur im Angesichts des Glücks in der Nähe des Götllichen empfinde. Wie ich mich in der Nähe von Göttlichem fühle, wenn ich mich in der Nähe von Harmonie und Vollkommenheit fühle. Ich werde mir darüber bewusst, welch Geschenk ich durch meine Erziehung erhalten habe, fühle ich doch Dankbarkeit für mein Glück und klage keine "höhere Instanz" für mein Unglück an. Ich merke, wie ich "den Willen Gottes" spüre wenn sich das Leben in seiner Fülle zeigt. Ich merke, wie ich niemals Gott gefragt habe "Wieso all diese Schwierigkeiten?", denn ich wurde mit dem Glauben gesegnet, Gott habe gar nichts damit zu tun. Ich habe das unglaublich grosse Glück zu glauben, Gott habe etwas Geschaffen, das sich unvorstellbar gut anfühlen kann. Dass es sich von Zeit zu Zeit unvorstellbar schlecht anfühlen muss, hat nichts mit "seinem Willen" zu tun, sonder ist einfach implizit gegeben. Das sogenannte "Schlechte" ist nun mal die unvermeidbare Kehrseite des sogenannten "Gute" &mdsh; wonach wir streben sollten und wollen. Das Zeit die wunderbarsten Kunstwerke zerstört, nimmt den Kunstwerken selbst nichts an ihrer Bedeutung. Die destruktive Wirkung der Zeit auf das Werk ist nicht von dessen Schöpfer gewollt. So habe ich das Glück, all meine Leiden einfach nur als "Menschliches, Allzumenschliches" zu betrachten. Erst im Angesicht der Fülle und des Glücks fühle ich das Über-Menschliche — nicht aber in Nietsches Sinne.

Meine Heldin, in zwei Tage ist wieder der 14. Februar. Ich weiss noch nicht, ob ich dann einen Eintrag schreiben werde. Es würde mich aber nicht wundern, wenn ich keinen schreibe. Nicht weil ich diesen Tag nicht mehr zu schätzen wüsste, oder weil ich nicht mehr an uns glauben würde. Nein... Weil sich zur Zeit die Fäden meiner Gedanken nicht mehr zu Geschichten weben lassen und weil ich somit wenig bis nichts zu sagen habe. Ich hätte zwar schon Dinge zu sagen, wie du gerade gelesen hast, doch viele Menschen haben solche Ideen. Die Gabe, daraus auch für andere Menschen etwas Brauchbares zu machen, ist mir zur Zeit leider nicht gegeben. Ich schaffe es nicht einmal zu Gedanken zu gelangen, die mir irgendwie nützlich sein könnten. Geschweige denn, anderen Menschen. Ich störe mich schon daran, aber noch viel mehr störe ich mich an dem unüberwindbaren Stillstand in meinem Leben. Doch auch daraus werden Früchte reifen, wie ich immer deutlicher merke. Denn, obwohl nicht viel Konkretes in meinem Leben geschieht, obwohl ich einen grossen Teil des Tages mit schlafen verbringe, rastet mein Geist selbst dann nicht, er rastet nie und er wächst auch an der Erfahrung der Regungslosigkeit und des Warten.

Meine Heldin, obwohl ich mich vor 4 Jahren an eine Zeit des Aufbruchs und des Erblühens erfreute, an eine gemeinsame Reise der Entdeckung unserer Talente und Ressourcen, an eine Wiederentdeckung des Lebens und der Erkundung eines Lebens in Fülle, obwohl all dies zuerst einmal nicht eintreffen sollte wie von uns erwartet, wissen wir nun beide von unserer Fähigkeit auf einem Teppich die Balance zu halten, während wir unsere Flügel ausbreiten und uns auf die Reise durch Raum und Zeit machen. Wir wissen von einem Bann, der uns verbindet. Wir wissen, von dem Vertrauen den wir uns gegenseitig schenken können. Wir wissen heute nicht im Geringsten, was vor uns steht und wie das Leben in 5 oder 10 Jahren aussehen könnte, so wie wir es vor 4 Jahren nicht wussten. Doch wir wissen, dass wir dieses unser Leben ausprobieren wollen. Wir wollen es leben. Komme, was kommen wird. So ist nun mal das Leben. Vielleicht wird es uns gelingen, einen Teil davon in Fülle zu gestalten. Ich würde mich so sehr darüber freuen, dies zusammen mit dir hinzukriegen. Ich freue mich darauf, es auch nur zu probieren. Denn, ich weiss, nie waren meine Chancen auf Erfolg grösser, als seit ich dich kennenlernte.

Und so wünsche ich uns, meine Heldin, noch viele (endlich) gemeinsame 14. Februars.
 
 

December 18, 2011

4. Advent des Protests

 
In Ägypten fühlen sich viele Menschen um ihre Revolution betrogen und gehen wieder auf die Strasse. Das Militär nennt diese Protestierenden nun aber "Anti-Revolutionäre"! Man könnte es fast lustig finden, wenn es nicht so tragisch wäre. Dies zeigt aber wie sich die Zeiten am ändern sind: Es wird immer schwieriger, den Leuten irgendwelchen Schwachsinn unterzujubeln! Und das ist gut so! Das Regieren mit Peitsche und Zuckerbrot, das Reformieren mit Augenwischerei werden schwieriger. Die Menschen verlangen von den Machthabern, dass sie Verantwortung übernehmen oder den Platz räumen. Für diese Forderung sind viele gestorben. Andere sterben noch heute, zum Beispiel in Syrien. Viele Menschen ohne Gesicht, ohne Geschichte, ohne Bemerkung. Und doch haben sie zusammen die Bemerkung der ganzen Welt bekommen.

Das Time Magazine hat "The Protester" als Person des Jahres 2011 gewählt: Eine Geste der Anerkennung für all die Namenslosen, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben und immer noch setzten, um diese unsere und Gottes Welt auch nur ein wenig besser zu machen. Als Vorlage für das Cover-Bild diente das Photo einer jungen Frau, die sich an eine der vielen Aktionen und Ausschreitungen rund um den Arabischen Frühling beteiligte. Frauen haben eine mehr als wichtige und teils zentrale Rolle gespielt: In verschiedene Länder ist es erst die Beteiligung der ersten Frauen gewesen, die es möglich machte einen immer grösseren Teil der Bevölkerung in den Protest einzubinden. Frauen haben sich während den Kämpfen um die Verpflegung der Aufständigen gekümmert, sie haben ihre nächsten Lieben motiviert und ermutigt.


Time Magazine Cover with "The Protester"


Aber nicht nur die Protestierenden des arabischen Frühlings sind gemeint. Auch die der Occupy Bewegung, der 99%, der Castor-Transporte, der Atom-Energie, usw. Ja, auch die Demonstranten gegen das WTO Treffen in Seattle, im Jahre 1999, werden mit dem Cover vom Time geehrt: Die Vorgänger, sozusagen, der Occupy und der 99% Bewegungen.

Protests in Seattle on November 1999


Leider muss man fairerweise sagen, dass es Menschen gibt die seit Jahren protestieren und kämpfen und nicht wirklich grosse Erfolge zu verzeichnen haben. Möge es zum Beispiel für die Tibetische Gemeinde ein Zeichen der Hoffnung sein, wenn es in anderen Ländern durch Proteste gelingt kleine Ziele zu erreichen.


Während viele Menschen auf der Welt aus ganz unterschiedlichen Gründen auf die Strasse gehen um ihre Wut zu demonstrieren, gibt es andere die schon seit Jahren als Einzelne oder mit kleinen Teams aktiv protestieren, die sich wehren, die sich exponieren und ihr Leben in Gefahr bringen. War da zum Beispiel nicht einmal ein gewisser Assange? Der hat genügend damit zu tun, sich vor der CIA zu schützen und aus Guantànamo zu halten, als dass er noch irgendwelchen Protest machen könnte.

Time Magazine Cover with Julian Assange


Oder war da nicht Ai Weiwei, der nach seiner Freilassung erschreckend still war? Wie lange musste er wohl Spenden-Gelder zählen, wo er doch plötzlich dem Staate China 1 Mio. Euro schuldete um überhaupt Berufung gegen finanzialle Forderungen einlegen zu dürfen? Zum Glück ist Ai Weiwei einer dieser Geister, die man nur schwer zum schweigen bringt. So war es die grösste Freude ihn wieder singen zu hören, auf seine ganz eigene Art. Nebst der grossen Kunst die er produziert, macht dieser Künstler die eigene Person zu Kunst.



Ai Weiwei ein Mal mehr auf Messer's Schneide: Er singt ein eigentlich harmloses Lied, dass veschlüsselt und dennoch klar verständlich schwer provoziert. Ai Weiwei at he's best...


Ai Weiwei sings for his supporters





So wird das Jahr 2011 als das Jahr der Protestierenden in die Bücher gehen, in welcher Form sie das auch immer tun. Das Jahr aller Menschen des Protests und ganz besonders der Frauen.