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November 21, 2010

eingeholt

 
Eine Idee ist nur so gut, wie die Menschen die sie umsetzen.

Von der Realität eingeholt. Vom eigenen Erfolg eingeholt. Von der wachsenden Zahl der Kreditnehmer. Vom Druck der Trittbrettfahrer, die sich auf den Markt stürzen. Und so verliert die Grameen Bank langsam das Ziel aus Augen. Und es kommt Wut in mir hoch, wenn ich höre was gerade in Indien abgeht. Nicht genug, dass "Städteplaner" einen ganzen Kosmos niederwalzen möchten, um Profit auf dem Immobilien-Markt zu erzielen. Und dies mit zielstrebiger Unterstützung der Regierung. Nein. Nun stürzen sich auch alle Alok Praseds und alle Citybanks dieser Welt auf diese Leute, auf die einfachen Bauern genau so wie auf die Menschen in den Slums, um Profit zu machen. Es macht mich wütend zu sehen, wie ein Muhammad Yunus, mit grossem Herzen und Courage es allen vorgemacht hat, wie er ihnen gezeigt hat was sie alle verneinten: Die Armen sind die kreditwürdigsten Menschen. Jetzt wo er den Beweis erbracht hat, stürzen sich die Geier auf diese Menschen und verkaufen ihnen den "American Way of Life" — Das Leben auf Pump. Anstatt das Geld für die Selbstversorgung zu benützen, wird es für Konsum oder, bestenfalls, für medizinische Versorgung missbraucht. Es macht mich wütend die Bankers zu hören, wie sie von einem "riesigen, potenziellen Markt" reden. Wie sie sagen "That's the place to be". Wie sie von ihren irrwitzigen Wachstumsraten labern. Und von der Zuferlässigkeit dieser Art von Kundschaft. Sie... Die keinen Rappen auf solche Kundschaft gegeben hätten, bevor es ihnen Muhammad Yunus vormachte.

Die Grameen Bank, unter dem Druck der Erfolgs- und der Wettbewerbs-Wellen, ist nicht mehr im Stande die Kriterien für eine Kredit-Vergabe zu überprüfen. Doch der Wettbewerb ist ungerecht, denn viele benützen den Deckmantel des Mikro-Kredits um pure marktwirtschaftliche, gewinnorientierte Geschäfte zu betreiben. Es wird einige Zeit brauchen, bis sich die Grameen Fondation wieder auf Kurs bringen kann. Doch es wird ihnen gelingen. Dazu muss sie aber durch die schwierige Zeit die ihr bevorsteht. Eine Zeit der Wiederbesinnung und Überprüfung. Es wird ihnen gelingen, unter der Voraussetzung dass die richtigen Menschen die richtigen Entscheidungen treffen werden. Im Sinne ihres Gründers.

Wie viel Schaden inzwischen angerichtet wurde, wie viele Selbstmorde wegen Wucher noch durch das Land gehen werden, das steht völlig offen. Von Selbst wird sich diese katastrophale Entwicklung nicht korrigieren. Und solange der Indische Staat, genau wie viele andere Staaten zur Zeit, sich nicht um den Schutz der Würde der Ärmsten kümmern wird, wird sich deren Lage verschlimmern.

Und dennoch: Die Idee von Muhammad Yunus ist eine grandiose Idee. Sie ist vielleicht der erste Schritt hin zu einem anderen Verständnis von Geld und Wirtschaft. Was daraus schlimmes gemacht wird, schmälert das Gute an der Idee nicht. Denn aus dieser Idee kann Grosses geleistet werden. Aus seiner Aberration aber wird Schaden angerichtet.
 
 

June 27, 2010

wachstum

 
Ich staune immer wieder darüber, wie das Thema "Wachstum" zum "Heiligen Gral" gemacht wurde und als alleiniges Mittel für das Vermeiden eines völligen Zusammenbruchs unserer westlichen Gesellschaft gehandelt wird.

Die Weichen dazu wurden schon vor (relativ) langer Zeit gestellt. Und dies wiederholt in verschiedenen Gelegenheiten. Hin und wieder auch in vollem Bewusstsein darüber, was auf der anderen Seite der Wage, auf dem zweiten Wagenteller, auf dem Spiel stand. Eines der massgeblichen (und vielleicht Folgenreichsten) Ereignisse in Zusammenhang mit arbiträrem gegenseitiges Ausspielen von Klima und Wirtschaft wurde von der Administration Reagan begangen. Die ersten Stimmen über globalen Klimawandel wurden öffentlich und laut und der amerikanische Staat gab eine Studie darüber in Auftrag. Die Studie wurde so viele Male in Auftrag gegeben bis man die Darstellung der Fakten erreicht hatte, die man sich gerade wünschte. Dies war vielleicht die schlimmste Verleugnung der damals schon bekannten Fakten, dessen Folgen erst noch auf uns zukommen werden.

Sehr interessant ist auch die Tatsache wie eine der damals veröffentlichten Studien, von einer Gruppe von absoluten amerikanischen Top-Wissenschaftlern geleitet, Prognosen lieferte die heute noch in Sachen richtiger Erkennung der Trends und Genauigkeit verblüfft. Die verschiedenen Wissenschaftler waren alle in Bereichen tätig, die nichts mit Klima, Wetter, Verschmutzung usw. zu tun hatten. Der Bericht wurde also als "nicht Fachkompetent" deklassiert. Wieder einmal ein Beispiel dafür wie sogenannte Fachkompetenz nicht immer zum objektivsten und besten "Big Picture" verhilft.

Ein sogenannter "Klima-Skeptiker" (bis heute in seiner Position festgefahren, die Mitbeeinflussung des Menschen im globalen Klimawandel sei nicht bewiesen) lieferte der Politik schlussendlich die gewünschten Daten. Auf diese Weise konnte wirtschaftliches Wachstum weiterhin die höchste Maxime und das wichtigste Ziel bleiben, würden globale Naturereignisse nicht unter die Verantwortung des Menschen fallen — so die Ableitung aus den Schlussfolgerungen der Studie.


Und heute stehen wir da und besprechen ob Wachstum ja oder nein. Und ich verstehe das nicht... Ich verstehe nicht wie dies überhaupt zum Thema werden konnte. In dieser Form. Ich verstehe nicht weshalb etwas zu unternehmen zum Schutz des Planeten überhaupt als "wirtschaftlich Kontra-Produktiv" betrachtet werden kann, auch nur im Entferntesten. Ich verstehe nicht wie Politiker wirklich glauben können, etwas Gutes für die Allgemeinheit zu tun, wenn sie versuchen eine kleine Krise morgen zu vermeiden und somit eine viel grössere Krise in einer Woche überhaupt nicht beachten.

Eines glaube ich aber zu verstehen: Das Grundübel. Möge es "reaktionär" oder "sozialistisch" tönen, doch das schon viel dämonisierte "shareholder value" ist in meinen Augen wirklich eines der grossen Übeln unserer Zeit. Natürlich ist es nötig mit fremden Kapital Investitionen betätigen zu können. Natürlich ist daran auch nichts auszusetzen. Das Übel beginnt dann, wenn Firmen nicht mehr Dienstleistungen oder Produkte herstellen, sondern Kapitalgewinn generieren müssen. Und auch daran ist nichts auszusetzen, wenn dies mit den nötigen und Branchen-Spezifischen Schwankungen geschehen darf. Viele kluge Köpfe haben in den letzten Jahren viel über diese Themen nachgedacht und sind zu vielen Folgerungen gelangt. Ich bin nicht der erste der diese Bemerkung macht und ich kann sie nicht mit Fachwissen belegen, dennoch denke ich hier liegt ein grundlegender Knoten unserer heutigen Gesellschaft.

Es kann nicht sein, dass zum Beispiel eine Firma die Consulting betreibt (also mit dem Wissen ihrer Mitarbeiter geschäftet) nicht mehr die Zeit hat in ihre Mitarbeiter zu investieren, weil die Umsatzzahlen 4 Mal im Jahr stimmen müssen. Sie müssen stimmen und sie müssen steigen. Es kann nicht sein, dass für eine solche Firma das höchste Gut nicht die Mitarbeiter sind sondern der Umsatz.

Ich staunte als ich hörte, wie ein Unternehmer in Deutschland nicht auf Wachstum setzt sondern auf ganz andere Faktoren achtet und wie er nun von Universität zu Universität geht und sein Erfolgsrezept unter die Leute zu bringen versucht. Ich finde es wunderbar, wird dies gemacht, doch ich finde es irgendwie seltsam und traurig wie es überhaupt so weit kommen konnte, dies als etwas spezielles und beachtliches zu betrachten.


Wachstum... Natürlich läuft es Politikern und Wirtschaftleute kalt den Rücken runter, wenn man sie vor der Wahl zwischen Wachstum (also vermeiden des wirtschaftlichen Kollaps) oder Rettung des Klimas stellt. Ich denke aber die zwei Dinge haben rein gar nichts antagonistisches. Natürlich sehnt sich der Mensch nach Wachstum, natürlich strebt er nach mehr in seinem Leben. Das ist gut so und entspricht unserer Natur. Doch 4 Male im Jahr grössere Zahlen in einer Tabelle sind nicht das einzig mögliche Wachstum.

Wachstum kann auch heissen: grössere Erfahrung, zufriedenere (also effizientere) Mitarbeiter und, in der Klima-Debatte sehr wichtig, bessere Qualität.

Ich muss nicht immer mehr Mitarbeiter haben die immer effizienter und effektiver schaffen... Heute wissen wir, die Lebensqualität steigt nicht automatisch parallel mit diesen Werten zusammen. Vielleicht ist es viel interessanter gleich viel Mitarbeiter zu haben, die viel bessere Qualität produzieren. Und Qualität kann so vieles sein.

Ich bin immer wieder von der Familie Hayek fasziniert, die sich bewusst dem Druck der Börse entzogen hat und ihre Betriebe eben in sogenannter familiärer Art leiten möchte. Leider ist es den meisten Unternehmen nicht möglich, aus einer solchen Position heraus zu wirtschaften. Also denke ich muss unbedingt etwas an der Art geändert werden, wie Unternehmen geführt werden. Respektive an den Kriterien wonach Unternehmen geführt werden.

Niemand würde auf die Idee kommen, die eigene Familie muss immer und unerlässlich mehr leisten, die Zahl ihrer Bekannten und Freunden ununterbrochen steigern, die Zahl der Arbeitgeber der Arbeitstätigen Familienmitgliedern, immer bessere Löhne kassieren und dennoch immer mehr Zeit für Ferien haben. Warum sollte also ein Unternehmen nach solchen Gesetzmässigkeiten funktionieren?

Solange es reichen wird, eine Zahl in Rot zu färben und eine Minus davor zu schreiben um automatisch von einem negativen Ereignis auszugehen, solange werden wichtige Änderungen in unserer Gesellschaft nicht möglich sein. Änderungen die wir aber dringendst benötigen würden. Dass nach Rot wieder Grün kommt liegt in der Natur der Sache. Weshalb darf also Rot unbedingt nicht sein? Warum gehen Jobs verloren und unsägliche Reichtümer lösen sich in Luft auf, wenn einmal an einer Börsenwand rote Zahlen stehen?

Dann möchte man etwas dagegen machen, Deutschland verbietet ungedeckte Leerverkäufe im Alleingang und was geschieht? Europa erteilt einen Rüffel. Und die Märkte reagieren negativ!!! Das finde ich so unglaublich: Man führt Massnahmen zur Regulierung der Märkte ein und diese scheinen den Märkten zu schaden. Zumindest reagieren die Märkte so, als würden diese Massnahmen schaden. Ist da nicht der Wurm drin? Dann müssen wir uns halt fragen "Wer genau sind diese Märkte?" Wer zieht sein Geld wieder ins Boot wenn man versucht die Märkte etwas Krisenresistenter zu gestalten?


Wachstum ist gut. Doch sollten wir nicht genauer darüber nachdenken, welche Art von Wachstum wir wirklich möchten? Ich bin der Meinung, es gibt auch einen Wachstum der uns hilft damit aufzuhören den globalen Klimawandel weiter und weiter anzutreiben. Und die Gesellschaftsschäre weiterhin zu öffnen. Siehe auch Nicolas Hayek oder Muhammad Yunus und die Grameen Foundation. Und viele andere.


Bei der Sternstunde Philosophie vom 20. Juni "Kulturelle Revolution gegen Umweltkrisen?" hat mir Harald Welzer eine knappe Stunde lang aus dem Herzen gesprochen.


Leider hat SRF das Video aus dem Netz genommen, oder zumindest kann ich es nicht mehr finden.
 

April 12, 2010

spiritual flesh

 
Scientology, Fiat Lux, die Esoterik... So viele Gruppierungen haben einen riesen Andrang, haben Erfolg. Bestimmte spirituelle Grundbedürfnisse des Menschen werden in unserer Gesellschaft von den traditionellen Institutionen immer schlechter bedient. Und so kommt es, dass diese Bedürfnisse von Nischen- und Randerscheinungen gedeckt werden.

Noch nie war der Mensch in unserer Gesellschaft so alleine, mit sich selbst. Noch nie war sein Kampf um seine Existenz so wenig Lebensbedrohlich, sein Morgen so Wahrscheinlich. Heute ist nicht unser Morgen die Frage. Es sind der Übermorgen und der Tag danach. Aber die, denkt der Mensch, könne er schwer beeinflussen.

Die Katholische Kirche ist in ihrem Fundament erschüttert. Sie basiert auf Ansichten die wir immer weniger Teilen können. Denn immer mehr werden Diskrepanzen, zwischen dem was Christlich ist und dem was die Kirche uns vorlebt, allgemein bekannt und offensichtlich. Nun ist ein Papst an der Reihe, von dem gerade bekannt wurde, dass er Kinderschänder geschützt hat um das Ansehen der Institution zu schützen. Jetzt wo es rauskam, bröckelt die Fassade um so mehr.

Leidtragende sind all die ehrlichen Geistlichen und Gläubigen, die sich mit ihrem Glauben nun alleine gelassen fühlen. Und Leidtragende sind die Opfer, natürlich. Wenn Kardinal Sodano dem Papst ans Herz legt, er solle "dem Geschwätz des Augenblicks keine Beachtung schenken", ist dies Zynismus pur gegenüber Tausende von Menschen, deren Leben im Mark erschüttert wurden.

Auf der anderen Seite sehen sich die Menschen um, und ausserhalb der grossen Kirchen sehen sie Scientology, Fiat Lux, die Esoterik und viele mehr, dessen Umgang mit dem Spirituellen je nach dem Lächerlichkeit, Empörung, oder Schmunzeln verursachen. Die Esoterik hat meiner Meinung nach sehr viel Schaden angerichtet, wo inzwischen seit Jahren jeder der sich auf eigene Faust mit Spiritualität befasst, ziemlich schnell als Esoteriker und Spinner abgestempelt wird.

Natürlich gibt es viele wunderbare Menschen unter all diesen Leuten, dies ist überhaupt nicht in Frage zu stellen. Der Punkt ist, welches Image solche Gruppierungen in der Allgemeinheit haben.


Und nun ist der Mensch, der von Grund auf auch ein spirituelles Wesen ist, alleine mit sich selbst auf der Suche nach Halt in diesem Leben. Auf der Suche nach dem Weg, diese Welt und die eigene Existenz zu Lobpreisen.

Und leider bleibt er dabei oft auch alleine.

Deshalb, denke ich, es ist höchste Zeit wieder über unser Verloren Sein zu reden lernen. Aber auch über ein Sich Wieder Finden, im Einklang mit dem was jeder Einzelne als das Für Ihn Richtige empfindet. Wenn der Dalai Lama in Oerlikon spricht, kommen 10'000, und dies ist sehr schön. Doch kann es nicht sein, dass der Dalai Lama eine derart einzigartige Erscheinung auf dieser Welt bleibt. Es kann nicht sein, dass die Werte die er in die Welt zu tragen versucht — Werte die im Übrigen durchaus Christlich sind — nur von einem einzelnen Mann in den Wind gesprochen werden. Oder dann während unzähligen Gottesdienste, wo sie aber leider so oft auch bleiben werden: innerhalb einer Kirche.

Wir müssen in der "zivilisierten Welt" dringendst lernen, endlich die Reagan-Era hinter uns zu lassen. Es ist an der Zeit, dass nicht nur ein Politiker der auch eine Firma besitzt und erfolgreich führt, als glaubhaften Politiker wahrgenommen wird — ich möchte hier Muhammad Yunus zitieren, der sagte er hätte nie etwas erreicht, wäre er mit dem Wissen eines Bankers an sein Werk gegangen (eine Bank für Arme zu gründen), denn genau dieses Wissen hätte ihm sonst verunmöglicht die richtige Angehensweise zu finden.

Der Mensch braucht beides: Geld um zu leben (also Brot um zu Essen), und Gebete um zu Glauben. Der Mensch ist auch Spirituell. Und diese Spiritualität hat die westliche Gesellschaft so dermassen nötig, wieder zu entdecken!

Wenn wir uns umschauen, werden wir sehen, dass es aber auch so viele Menschen gibt die es uns vormachen. Weshalb versuchen wir nicht, denen einmal unser Gehör zu schenken? Wir würden so viel mehr zurück bekommen...

Bild: Mirko Donadoni