Endlich einmal ein Ökonom, der Wachstum hinterfragt... Nicht nur: Der den Mut hat so ziemlich vieles zu hinterfragen. So zum Beispiel was wir denn hier überhaupt am basteln sind, mit dieser Welt und mit unserer Gesellschaft, ja mit unser Leben. Der offentlich die inzwischen mehr als notwendige Frage stellt, wohin unsere Reise überhaupt führen soll. Wohin möchten wir uns denn bewegen? Was genau sind wir am anpeilen? Wollen wir das wirklich, was da auf uns zukommen wird? Natürlich haben auch diejenigen Recht, die sagen: "Immer, wenn es kein Wachstum gab, waren die Menschen unzufrieden. Es gibt kein Beispiel in den letzten zwei Jahrhunderten einer Gesellschaft ohne wirtschaftliches Wachstum konnte und mit zufriedenen Menschen." So einfach sieht es aus: So wie unsere Gesellschaft organisiert ist — und inzwischen bald die ganze Welt — entspricht fehlendes Wachstum mit Massen-Arbeitslosigkeit, Depression, Hoffnungslosigkeit, Vertrauensverlust, Angst. Und genau dies müssen wir nun wieder lernen: Zu leben, gut zu leben, mit oder ohne Wachstum.
Niemand kann wirklich behaupten, wir könnten nicht genügend materiellen Wohlstand generieren, um uns alle wohl zu fühlen. Weshalb soll dies also einzig und alleine möglich sein, wenn die Wirtschaft gerade am wachsen ist?
There's no path to follow
So sieht es aus. Da ist kein Pfad, dem man folgen kann. Siehe auch den Post "Der Blick durchs Teleskop". Dieser Pfad wurde noch nicht genügend benutzt, um als Pfad erkennbar zu sein. Den Weg müssen wir uns also selbst erarbeiten. Wir müssen ihn finden, vielleicht müssen wir uns mehrmals verlaufen, vielleicht müssen wir ganz neue Mittel und Werkzeuge zur Orientierung entdecken und erschaffen, vielleicht müssen wir viele erlangte Gewissheiten wieder über Bord werfen, vielleicht müssen wir uns wieder ganz neue Frage stellen. Dieser Weg scheint mir aber der einzig mögliche zu sein. Und den müssen wir irgendwann zu gehen beginnen. Je früher, desto besser.
Tomáš Sedláček hat sich diese und viele weiteren Fragen gestellt. Ein Reaktionär ist er aber nicht, denn er hat sich mit genau diesen Fragen schon lange vor den letzten Krisen beschäftigt: 12 Jahre lang schrieb er an seinem Buch "Die Ökonomie von Gut und Böse". In der Sternstunde
lässt er sich mit Katja Gentinetta auf einen Streifzug durch die Höhenflüge und Abgründe der Ökonomie ein und erklärt, was wir denn ändern müssten, um dem Krisenmodus zu entkommen.
Interessant, wie Tomáš Sedláček das vorherrschende Verständnis von Wirtschaft mit einer psychischen Störungen vergleicht, oder wie er das Alte Testament und das Gilgameš-Epos auf erfrischende Weise interpretiert. Sehr schön auch, wie er immer wieder Bezug auf Filme und Literatur nimmt.
Tomáš Sedláček == SRF Sternstunde Philosophie