February 23, 2011

karma - score

 
Mag es sein, dass sich der Mensch abmühen muss, um sich vom ewigen Kreislauf des Lebens lösen zu können? Mag es sein, dass der Mensch im Laufe seines Lebens gute Taten vollbringen muss, um diese beim Versterben vorweisen zu können? Mag es sein, dass (wie es die Tibeter sehen) ich so und so viele heilige Ortschaften zu besuchen habe, um mich erlösen zu können? Ich wage daran zu zweifeln...

Doch ich zweifle nicht an der Tatsache, dass ein Tibetischer Mönch, der nach Erleuchtung sucht, in Einfachheit, in Demut, in Kontemplation, womöglich sehr guten Chancen haben könnte, sich auf dem Weg zu einer anderen Art von Existenz zu befinden.

Was ich damit meine ist, dass das Vollbringen bestimmter Taten, vorgegebener Taten, das Erlernen gewisser Einstellungen den Mitmenschen gegenüber, der Erde und seinen Kreaturen gegenüber, dies alles sind menschliche Wertungen. Es ist die Aufteilung der Dinge in Gut und Nicht Gut. Gut und Böse. Und ich wage zu zweifeln, dass das Überwinden unserer irdischen und endlichen Existenz durch Kriterien wie gut und böse erklärt werden kann. Obwohl. Vielleicht kann sie sogar damit erklärt werden, doch kann sie auch damit "erzwungen" werden? Hat ein Tibeter, der das Leben lang nach allen Regeln seiner Tradition und Religion gelebt hat, doch kein offenes Herz hat, eine grössere Chance den Kreislauf der Wiedergeburt zu verlassen? Wiederum ist es sehr gut möglich, dass ein Tibeter, der das Leben lang nach allen Regeln seiner Tradition und Religion gelebt hat, eine grössere Chancen haben könnte, ein offenes Herz zu haben. Dies mag durchaus sein.


Ich meine, uns Menschen entzieht sich der aller tiefste Sinn des Lebens. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass ein solches Wunder wie es das Leben auf Erden ist, in all seinen Formen, einen sich uns entziehenden Sinn hat. Und wenn es darin besteht, Leben zu sein. Sehr viele weise Menschen haben ihr Leben damit verbracht, das Leben zu studieren und zu deuten. Sie gelangen so zu sehr vielen Erlebnissen und Erkenntnissen. Die gesammelte Weisheiten versuchten sie weiter zu geben. Doch, wie jeder Mensch ein einzigartiges Geschöpf ist, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass der Weg zu einer höheren Erkenntnis für jeden Einzigartig sein könnte.

Der Christliche Glauben besagt, dass selbst dem Mörder verziehen werden kann, dass selbst ihm der Weg ins Paradies nicht vorenthalten wird, unter gewissen Umständen. Und ich glaube sogar, dies könnte durchaus war sein. Denn, weshalb sollte ein begangener Fehler auf Ewig jegliches Heil verunmöglichen? Und dennoch, bin ich der Meinung, der Mensch sollte im Rahmen seiner bewussten Entscheidungen, versuchen Leiden zu meiden und zu verhindern.

Eine der verrücktesten Ideen über den Einzug einer Seele ins Paradies finde ich die der Islamistischen Märtyrern. Einmal ganz abgesehen davon, ob man sich nun das Paradies als Ort mit unzähligen Jungfrauen, die nur anwesend sind um einen zu Dienste zu stehen, vorstellen mag oder nicht, finde ich die Vorstellung völlig absurd, dass die Seele die gerade einen Körper verlässt, der sich selbst in Fetzen gerissen und möglichst viele Menschen mit sich in den Tot genommen hat, zufrieden und selig ins Paradies eintreten soll. Ich meine: Ist es nicht viel viel wahrscheinlicher, dass diese Seele genau so zerrissen sein wird, wie der Körper den sie gerade verlassen hat? Und dies nicht nur wegen der physischen Kräfte, die auf den Körper gewirkt haben, sondern viel mehr wegen dem Hass, der diesen Menschen erfüllte. Ist es nicht wahrscheinlicher, dass diese Seele noch viele Existenzen als Mensch erleben wird, um sich auch nur schon einigermassen von einer solchen Tat erholen zu können?

Ich glaube nicht an einen Karma-Score, doch — in meinem ganzen Unwissen — halte ich es einfach für wahrscheinlicher, dass ein sterbender, der in Frieden mit sich selbst und der Welt gelebt hat, der Gottes Werk erkannt und gepriesen hat, der sich an Gottes Werk erfreuen konnte und diese Freude aller Menschen auf Erden gewünscht hat, eher zu Gott finden wird. In welcher Form dies auch geschehen mag.

Und die Tatsache, dass man auch nach dem Tod zu Gott finden kann, oder zu einer weiteren, uns nicht bekannten Art von Existenz, halte ich für möglich weil ich, wenn ich Gottes Werk hier ansehe, wenn ich das Wunder des Lebens betrachte, das Heilige daran erahne. Und ich kann mir nur schwer vorstellen, wie ein solches Wunder nicht auf die irdische Form von etwas noch viel Wunderbarerem deuten muss. Ob ich je mehr darüber erfahren werde, ob ich mich je mehr als Teil davon fühlen werde, oder vielleicht damit verbundener, dies mag wohl nur Gott wissen.

Leiden und Liebe. Liebe und Leiden.
Yin und Yang. Yang und Yin.
Vielleicht ist in dieser schlichten Dualität das Geheimnis vieler Dinge enthalten. Sehr vieler Dinge.