Ein Blatt mit diesem wunderschönen Gedicht wurde mir in der Harten Klinik geschenkt. Es war bald Mai.
Es war eine Zeit der Erneuerung.
Es war eine Zeit der Liebe.
Es war eine Zeit des lieblichen Gottesgedanken.
Es war eine Zeit der Manifestation der Schöpfung.
Es war eine Zeit mit Parallelen zum Advent.
Und es war eine Zeit der geschmeidigen, mädchenhaften Schlanken.
Es war eine Zeit der Liebe.
Autor unbekannt
Birkenlegendchen
Birke, du schwankende, schlanke,
Wiegend am blassgrünen Hag,
Lieblicher Gottesgedanke
Vom dritten Schöpfungstag.
Gott stand und formte der Pflanzen
Endlos wuchernd Geschlecht,
Schuf die Eschen zu Lanzen,
Weiden zum Schildegeflecht.
Gott schuf die Nessel zum Leide,
Alraunenwurzeln zum Scherz,
Gott schuf die Rebe zur Freude,
Gott schuf die Distel zum Schmerz.
Mitten in der Arbeit und Plage
Hat er leise gelacht,
Als er an den sechsten der Tage,
Als er an Eva gedacht.
Sinnend in göttlichen Träumen
Grab seine Schöpfergewalt
Von den mannhaften Bäumen
Einem die Mädchengestalt.
Göttliche Hände im Spiele
Lockten ihr blonden das Haar.
Dass ihre Haut ihm gefiele,
Seiden und schimmernd sie war.
Biegt sie und schmiegt sich im Winde
Fröhlich der Zweiglein Schwarm,
Wiegt sie, als liegt ihr ein Kinde
Frühlingsglückselig im Arm.
Birke du mädchenhaft schlanke,
Schwankend am grünen Hag,
Lieblicher Gottesgedanke
Vom dritten Schöpfungstag.
Börris von Münchhausen (1874-1945)